Bei 35 Grad Hitze arbeiteten Schüler_innen mit ihrer Lehrerin Frau Bringezu und das interreligiöse und interkulturelle Team des Jüdischen Forums (JFDA) am 20. Juni 2017 sechs Stunden lang engagiert im obersten Stockwerk der Integrierten Gesamtschule Halle zum Thema der Lernwerkstatt VORURTEILE ABBAUEN – ANTISEMITISCHE RESSENTIMENTS BEKÄMPFEN. Im Team kooperierten Peter-M. Utasch als evangelischer Theologe, Ilker Duyan als muslimischer Vertreter und Max Bursche als Experte für Judaismus und Nahost-Problematik. Gleichzeitig fand ein weiterer Workshop im selben Schulgebäude statt zum Thema „Augen auf! Rassismus und Einwanderungsfeindlichkeit entgegentreten“, so dass zwei Teams des JFDA zur selben Zeit an derselben Schule tätig waren.
Fast alle Jugendlichen bis auf ein Mädchen sind in Halle geboren. Die anwesende Lehrerin sprach von einer Schülerschaft in der Gesamtschule auch mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund. Auch gäbe es in Halle Stadtgebiete mit erkennbarer Fremdenfeindlichkeit. Die eigene Schule nannte sie aber eine Insel der Seligen. „An der Schule“, so ein Schüler, „hatten sie schon das Thema Judenverfolgung, wir sollten nicht das alles wiederholen“ und weiter: „Ich hab keine Erwartung, aber ich bin offen und gespannt“.
Zum Thema Vorurteile beschrifteten die Jugendlichen je 3 Karten aus den eigenen Erfahrungs-Bereichen Familie – Schule – Freizeit. Das anschließende Gespräch in großer Runde führte zu dem Ergebnis: Vorurteile würden zwar auch Widerspruch hervorrufen, aber typisch wäre ihre Tendenz, ein Eigenleben zu entwickeln und sich zu verbreiten und zu vervielfältigen.
Die gleichen schülereigenen Erfahrungen in den Bereichen Familie – Schule – Freizeit wurden beim Thema Ausgrenzung erneut aufgenommen. In einem der folgenden Rollenspiele wurde ein von seinen Eltern völlig unverstandenen homosexuellen Jungen dargestellt, in einem anderen wurde eine Schülerin von der Lehrkraft gegenüber anderen deutlich bevorteilt und eine andere entsprechend abgewertet. Ein Schüler gab seine Beobachtung preis, dass Ausgrenzung ja den Tätern ein schönes Gefühl der Zusammengehörigkeit gäbe und auch sowas wie ein Machtgefühl aufkommen lasse.
„Ja, so funktioniert auch Nationalsozialismus“, sagte jemand, „so mögen damals viele Menschen empfunden haben, als ihre jüdischen Nachbarn ausgegrenzt und schließlich vernichtet wurden.“
Die Schüler_innen wurden bekannt gemacht mit judenfeindlichen Stereotypen, die bis in unsere Gegenwart Verbreitung finden. Während einer interaktiven Einheit wählten die Jugendlichen zwischen acht Bildern mit stereotypischen Darstellungen von Juden als Wucherer, Kindermörder, Brunnenvergifter, Hostienschänder usw. aus und entschieden welcher von vier vorgelegten Kategorien sie die Darstellungen zuordnen wollten. Sind die Feindbilder noch aktuell oder bereits abgeschlossen. Stellen sie lediglich Abwertungen dar oder sogar existentielle Bedrohungen bis hin zur Vernichtung im Holocaust.
Auf Entsetzen stießen Fotos von Demonstrationen, wo heute Muslime und deutsche Rechtspopulisten auf Straßen und Plätzen in Deutschland Transparente zeigten, auf denen Juden als Teufel oder Kindermörder dargestellt wurden. Neben den Themen Antisemitismus und Rassismus wurden im 3. Teil des Workshops auch eigene Erfahrungen der Schüler_innen mit Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in zahlreichen Fassetten in den von ihnen selbst gestalteten Plakat-Collagen bearbeitet.
Als deutliche Anerkennung ihrer Arbeit mit den Schüler_innen deuteten die Teamer die Entscheidung der Teilnehmenden, das Angebot abzulehnen, wegen der schwer erträglichen Hitze vor Ablauf der sechs Stunden vorzeitig in die Freizeit entlassen zu werden. Stattdessen gab es Beifall und gegenseitigen Dank, verbunden mit dem Wunsch auf ein gutes Wiedersehen zur Präsentation der Plakate vor einem größeren Publikum nach den Ferien.